
Philipp Stein war vor einigen Jahren Deutschlands jüngster Sternekoch im Gourmetrestaurant der Favorite in Mainz. Sein Weggang war ein Verlust für das Hotelrestaurant, doch schnell war klar, dass er der Feinschmeckerszene in Mainz erhalten bleiben würde. Nach Familiengründung und Hochzeit stand die Übernahme des elterlichen Restaurants Steins Traube in Mainz-Finthen an. Nach Umbau des Lokals und mit einem modernen Gastro-Konzept gerüstet, schlugen Philipp und Alina Stein im August 2019 ein neues Kapitel in Steins Traube auf. In gemütlicher Atmosphäre, schickem, aber reduziertem Design kann man seitdem mit dem Menü Innovation bewährte Küche auf Sterne-Niveau genießen. Mit dem Menü Tradition oder á la carte interpretiert Stein gutbürgerliche und internationale Küche raffiniert mit eigener Handschrift.
Küche und Service haben alles im Griff
Anfängliche Probleme im Service sind mittlerweile behoben, alles läuft zügig, auf Wünsche wird sofort eingegangen, alle Fragen zu Weinen oder Gerichten werden ohne Umschweife kompetent beantwortet. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind sehr freundlich, ohne aufdringlich zu sein. Alina Stein hat ihr Team gut im Griff. Schön ist, dass die Karten recht häufig wechseln, so kann man auch bei den Weinen immer mal wieder etwas Neues entdecken. Leider war bei meinem letzten Besuch der tolle Weißburgunder von Maximin Grünhaus ausgetrunken, doch der Grauburgunder von Stallmann-Hiestand konnte durchaus auch überzeugen. Weniger angetan war ich vom alkoholfreien Rosésekt von Leitz als Aperitif, den empfand ich als eher fad – bisschen bizzlig, wenig rote Frucht, wenig Abgang. Das nächste Mal lieber wieder mit Alkohol!

Ein Muss vorneweg sind natürlich die Fischpralinen, die es auch in der Favorite schon gab, hier jetzt aber mit Curry-Note – auch großartig. Die getesteten Vorspeisen waren besonders fein: zweierlei von der Fjordforelle und Tatar vom Räucherlachs. Letzterer war mit frischen Zutaten verfeinert, mit Saiblingskaviar gekrönt, die gebackenen Roggenchips setzten den Kontrapunkt in Sachen Textur. Die lauwarme Forelle und das Forellencarpacchio wurden ergänzt durch feinen Chicoree, Walnuss und kontrastierende Rotweinreduktion. Ein Gedicht. Ebenso verhielt es sich mit den Hauptgängen mit Atlantik Seeteufel sowie der Kalbsleber Berliner Art, die ganz unberlinerisch auch mit leckerem italienischem Broccoli aufwartete. Dabei muss erwähnt werden, dass die Portionen sehr ordentlich sind. Drei Stücke Leber sind fast schon zu viel, um noch einen Nachtisch zu ordern – der Magen konnte nur noch eine Kugel Schokoladeneis vertragen.
Kalbsleber Fjordforelle Gastraum Petersilienrisotto Räucherlachs Seeteufel Sorbet mit vergoldeten Kekskrümeln und Kokoschips
Die Zubereitung der Speisen sind bei Philipp Stein immer über jeden Zweifel erhaben, dass man einmal daneben greift und ein Gericht wählt, das einem in der Zusammenstellung nicht so zusagt, geschieht nun einmal. Passiert ist mir das mit dem Petersilienrisotto, das mir trotz Trüffel, Bergkäse und Pinienkernen zu mild und einfach zu langweilig war. Die Pastinaken muss man mögen, ich mag sie nicht und hoffte auf Herrn Stein. Doch auch er konnte mich nicht überzeugen: Die über das Risotto gehobelten Streifen waren gewohnt muffig und gummiartig in der Konsistenz. Leider wurde bei der Nachtisch-Bestellung vergessen zu erwähnen, dass das Granatapfel-Sorbet auch Chili beinhaltet und das Zitronen-Sorbet (ich liebe Zitrone und Säure) war mir zu säurelastig. Da halfen leider auch die vergoldeten Kekskrümel nicht, die aber dem sehr feinen Eis und auch dem Sorbet die optische Krönung aufsetzten.
Gebackener Curry – Fischcroustillant im Kataifiteig a 2.5
Tatar vom Räucherlachs
Creme Fraiche | Roggen | Saiblingkaviar | Gurke | Radieschen 14
Zweierlei Fjordforelle | Walnuss – Chicoree | gelbe Beete | Liebstöckel | Rotweinreduktion 15
Petersilienrisotto Perigord Trüffel | gebackene Pastinake | Bergkäse | Pinienkerne 22
Leber vom Tiroler Kalb „Berliner Art“
Kartoffelmousseline | glasierter Apfel | Röstzwiebeln 23
Atlantik Seeteufel
Tomatenrisoni | Artischocken | marinierter Fenchel | Safranschaum 32
Ich gebe es zu, ich war leicht betrübt an diesem Abend. Trotzdem werde ich natürlich wiederkommen und gebe selbstverständlich trotzdem eine uneingeschränkte Empfehlung ab. Obwohl ich das wohl nicht sollte – denn Steins Traube ist so beliebt, dass man auch unter Woche unbedingt frühzeitig reservieren muss. Auch an einem ganz schnöden Mittwochabend sind alle Tische besetzt, mal darf jemand am Tresen warten und der Rest, der ohne Reservierung kommt, wird leider nach Hause geschickt.
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