Riesling-Experiment mit vier Winzerinnen und Weinkritiker Stuart Pigott
Die Macher und Protagonistinnen des Filmprojekts „weinweiblich – Die erste Generation“ sind zwar noch nicht auf der Zielgeraden, haben aber immerhin schon die Hälfte der Dreharbeiten hinter sich. Und das wurde im Weingut Joachim Flick in Flörsheim-Wicker gefeiert. Filmemacher Christoph Koch, Weinkritiker Stuart Pigott und die Winzerinnen Dr. Eva Vollmer (Rheinhessen), Theresa Breuer (Rheingau), Silke Wolf (Baden)und Carolin Weiler (Rheingau) stellten sich und das Projekt vor. Den ganzen Abend konnte man die Weine der vier Filmprotagonistinnen und einiger befreundeter Winzerinnen verkosten, das Highlight aber war ein Vorab-Screening mit schon fertigen, tollen Filmausschnitten. Wieviel Spaß und Leidenschaft dieser Film für alle Beteiligten bedeutet, war unübersehbar: Alle sprühten vor Energie und Begeisterung für ihre gemeinsame Sache, die ganz offensichtlich ein Herzensprojekt geworden war.
Doch worum geht es konkret bei „weinweiblich“? Angefangen hat alles vor vier Jahren mit einer vagen Idee von Christoph Koch, etwas über Winzerinnen und das Weinmachen zu erzählen. „In einem Artikel habe ich etwas über Eva Vollmer gelesen und war sofort begeistert“, erzählt Koch. „Mit Stuart Pigott war ich schon seit Jahren befreundet, wollte ihn mit ins Boot holen und rannte bei ihm mit meiner Idee offene Türen ein“. Das Konzept war dann schnell erstellt: Der Film sollte den gesellschaftlichen und kulturellen Wandel im Weinmachen in Deutschland dokumentieren. Denn nirgendwo sonst auf der Welt machen so viele Frauen eine Ausbildung in Sachen Wein, übernehmen das väterliche Weingut oder gründen gleich ein eigenes. Die Winzerinnen im Film sind ein Teil dieser „ersten Generation“ Frauen, die selbstbewusst ihren Weg gehen und teils auch Hindernisse – die es für Frauen immer noch gibt – überwunden haben.
Vollmer: „Ich filme das pralle Leben!“
Gezeigt wird, wie sie im Laufe des Jahres im Weinberg arbeiten, dazu liefern sie selbst mit der Handkamera gedrehtes Filmmaterial dazu. Vor allem Eva Vollmer liebt die eigene Dreharbeit: „Die verrücktesten Sachen passieren doch immer, wenn die Kamera gerade weg ist, da filme ich einfach das pralle Leben!“ Die Aufgabenstellung für alle ist: Produktion eines Rieslings aus alten Reben aus einer Steillage. Ziel: Blindverkostung der Weine durch einen bekannten Sommelier in einem Frankfurter Restaurant. Schmankerl: Auch Stuart Pigott stellt sich der Herausforderung und produziert einen solchen Riesling. Allerdings hat er sich nach offenbar eher kläglichen Versuchen als einziger aus der eigenen Filmarbeit herausgezogen. Seine Entscheidung unterstreicht er mit einem breiten Lachen und vehementem Kopfschütteln.
Spannende Winzerinnen machen spannenden Riesling
Koch und Pigott wählten gemeinsam die Winzerinnen für den Film aus: Pigott kannte und schätzte Biowinzerin Eva Vollmer schon länger, beiden kannten Theresa Breuer, die vor einigen Jahren das bekannte Weingut ihres Vaters übernommen hatte. Dazu kam Katharina Wechsler (Rheinhessen), die sich erst im Alter von 30 Jahren entschied, eine Winzerausbildung zu machen, das elterliche Fassweingut zu übernehmen und es zu einem hochwertigen Flaschenweinbetrieb auszubauen. Seit 2017 ist sie nun allein für ihr Weingut verantwortlich – „pünktlich“ zum Start von „weinweiblich“.
Mit Silke Wolf von der Shelter Winery konnten die beiden noch eine weitere Winzerin mit einer ganz eigenen Geschichte gewinnen. Die aus Paderborn stammende Winzerin ist, genauso wie ihr Mann Hans-Bert Espe, mit dem sie das Weingut betreibt, Quereinsteigerin ohne elterlichen Betrieb im Hintergrund. Beide trafen sich beim Studium in Geisenheim, heirateten, gingen zum Weinmachen nach Oregon (USA) und ließen sich dann in 2003 in Kenzingen nieder, um dort bald beachtete Spätburgunder zu produzieren. Um die Runde komplett zu machen, begab man sich auf die Suche nach einem Nachwuchstalent. „Wir haben in Geisenheim mit einem „Casting“ nach einer Weinbaustudentin gesucht, die gut in den Film passt. Zehn Studentinnen wollten gerne bei uns mitmachen. So wurden wir auf Carolin Weiler aufmerksam“, erklärt Christoph Koch.
Schon allein die unterschiedlichen Frauen mit ihrem unterschiedlichen Werdegang, ihrer eigenen Handschrift im Weinberg, den verschiedenen Böden und Lagen sorgen für eine abwechslungsreiche Geschichte, doch weitere Experimente machen den Film noch spannender: So wagt sich Biowinzerin Eva Vollmer zum ersten Mal an die biodynamische Arbeitsweise, ohne eine richtige „Gläubige“ zu sein. Sie sagt: „Ob kosmische Strahlen jetzt wirklich etwas im Weinberg bewirken, da bin ich mir nicht so sicher. Die zusätzlichen und anderen Arbeitsschritte im Weinberg stellen bei mir erst einmal ein anderes Gefühl zur Arbeit und den Reben her.
Mich interessiert auch sehr der natürliche Kreislauf im Weinberg, den ich in Neuseeland kennengelernt habe. Dort gehören zum Winzerbetrieb auch Schafe und Kühe. So kommt beispielsweise der Dung, der in der biodynamischen Arbeitsweise in den Weinberg eingebracht wird, direkt vom eigenen Hof. Das ist in Deutschland eher selten der Fall.“
Spätburgunder-Expertin Silke Wolf hat sich auf ein für sie „ganz spannendes Abenteuer“ eingelassen, wie sie sagt. Für sie ist es nicht nur der allererste Riesling, den sie produziert – sie musste sich sogar von einem befreundeten Winzer einen Weinberg leihen – und zwar im Glottertal.
Schwerstarbeit im Hitzesommer
Unwägbarkeiten und Überraschungen während der Dreharbeiten gab es nicht nur durch den heißen Sommer mit 41 Tagen über 30°C, sondern auch im Team: Katharina Wechsler stieg mitten im Projekt aus, dafür konnte Carolin Weiler mehr von ihrer Arbeit zeigen. Die in diesem Jahr zur Rheingauer Weinprinzessin gekürte Jungwinzerin arbeitet schon geraume Zeit gemeinsam mit ihrem Vater im Weingut. Für „weinweiblich“ macht sie ihren ersten ganz eigenen Wein.
Stuart Pigott kämpfte gemeinsam mit seiner Assistentin Peam Saisombat (die Pigott beim „Casting“ in Geisenheim kennengelernt hat) in einer Parzelle vom Nonnberg von Rainer Flick um jede Traube. Während die Winzerinnen eher meinten, dass die Hitze bei den alten Reben kein so großes Problem war und man sich eher um die jungen Reben in anderen Weinbergen sorgen musste, spricht Pigott von „jeder Menge Schweiß und Verzweiflung“.
„Der gesamte Weg ist komplizierter als man denkt und ohne Peam wäre ich untergegangen. Die Arbeit im Weinberg haben wir uns geteilt“, erzählt er. „Wir haben uns zum Beispiel dazu entschieden, die Triebe nicht zu gipfeln (Anm.: in Höhe des obersten Drahtpaares abschneiden), sondern zu wickeln, um einen besseren Schutz für die Trauben zu bekommen. Allein das hat volle drei Arbeitstage gedauert! Später haben wir dann wieder weiter unten Triebe herausgezogen, da die Trauben zu fett waren und zu kompakt hingen.“
Einige hundert Flaschen Wein sollen es pro Winzerin später geben. Die meisten setzen auf Spontanvergärung und bauen im Barrique aus, Eva Vollmer wollte „Klarheit“ in ihrem Riesling und setzt auf Edelstahl. Stuart Pigott hat zwei 500 Liter Barrique-Fässer gefüllt und setzt einerseits auf Spontanvergärung, das andere Fass reift mit Heiligenstein-Hefen. „Aufgrund des niedrigen pH-Werts im Most musste ich schon Weinsäure zugeben, sonst hätte ich demnächst einen Riesling mit Buttergeschmack.“ Was mit den beiden Weinen noch passieren wird, weiß Pigott noch nicht: „Das klärt sich alles später, vielleicht entscheide ich mich ja auch für einen Verschnitt!“
Film kommt im Herbst 2019!
Achja, das Geld noch: Ohne Finanzierung gibt es natürlich keinen Film. Die Erstfinanzierung von „weinweiblich“ lief über ein Crowdfunding bei Startnext, bei dem 30.000 Euro zusammenkamen. Die weitere Finanzierung soll über verschiedene Sponsoren erreicht werden, die laufend gesucht werden. Aber wie es auch immer kommt: „Der Film wird auf jeden Fall fertiggestellt“, bekräftigt Christoph Koch. Bis Herbst 2019 müssen sich Film- und Weinfreunde allerdings noch gedulden. Dann wird „weinweiblich – Die erste Generation“ in ausgewählten Kinos und auf Filmfestivals zu sehen sein. Ein Vorab-Screening gibt es jeweils auf dem Weingut der Winzerinnen und wer sich aktuell informieren will, schaut einfach auf der Website wein-weiblich vorbei, da gibt es jede Menge Infos und Filmschnipsel zu sehen.
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